Regentropfen perlen an den Fensterscheiben.
Draussen fliegt grauer Himmel vorbei. Die kahlen Bäume glänzen.
Kaum zu glauben, dass Mitte Januar Felder so leuchtend grün sein können.
So leuchtend grün wie mein Herz…
Ich bin sitze im IC 145 von Amsterdam Centraal nach Berlin Ostbahnhof, beseelt von meinem Besuch in Almelo bei buurtzorg Niederlande.
Ich hatte gestern nach einem langen Nachmittag mit sehr viel Inhalt (Danke, Gertje!) das große Vergnügen den Gründer Jos de Blok persönlich kennenzulernen.
Ab sofort übernehme ich gerne ehrenamtlich den Vorsitz für seinen Fan-Club!
Heute durfte ich unter fachkundiger Anleitung die dahinter liegende IT (Danke Geert!) näher betrachten…
Das Erfolgsgeheimnis ist so verblüffend wie einfach: gib den berufenen Gemeindeschwestern ihre Berufung zurück und schau, dass alle Rahmenbedingungen erfüllt sind, dass das, was sie am Besten können und lieben, eigenständig und selbstverantwortlich tun dürfen.
Wenn sie nämlich mit ihrer Arbeit glücklich sind, sind es auch die Patienten, deren Familien, die Angehörigen und die Gemeinschaft.
Jos de Blok ist es gelungen, in knapp 10 Jahren kleinere und größere Schritte zu gehen und dieses zu schaffen. Daß das nicht wirklich ein Spaziergang war, lässt sich erahnen… Der charmante Niederländer geht unaufgeregt und bodenständig damit um, dass er nicht nur die ambulante Pflege in den Niederlanden auf dem sanften Weg revolutioniert hat, sondern gerade scheinbar so unangestrengt dabei ist, die Pflegewelt international zu verändern. Belgien hat sein Modell schon, die japanischen Regierungsvertreter klopften vor ein paar Jahren an seine Tür – das Projekt buurtzorg Japan hat im vergangenen Jahr rasant an Fahrt aufgenommen – China, Thailand, Australien, USA und das Vereinigte Königreich ergänzen die Liste der international laufenden Projekte.
In Deutschland gibt es bereits eine kleine Gruppe Interessierter, das erste gemeinsame Treffen in Berlin ist in Arbeit.
Und was ist jetzt DAS ANDERE genau?
Was genau macht den Unterschied zum Rest der Welt aus?
Jos sagt: „…Simplicity. And keep the focus on the outcome.“
Einfachheit. Und immer das Ergebnis im Auge behalten…
Nach zwei Tagen und sehr vielen Wörtern weiß ich, dass zwar Einfachheit ein goldener Schlüssel ist, aber auch, dass es ein paar mehr von diesen sehr einfachen Dingen braucht um die Welt so nachhaltig zu verändern…
Was bedeutet das konkret?
• Kleine selbstorganisierende Teams von 10-12 gut ausgebildeten Mitarbeiter*innen.
• Radikaler Abschied von hierarchischen Strukturen.
• Ein Bewertungssystem (Omaha-System), das aufgrund dokumentierter (temporärer oder auch langfristiger) Besserung der individuellen Pflegesituation den flexiblen Umgang mit Pflegezeit ermöglicht, d.h. auch die Reduzierung der Pflegestunden.
• Radikaler Abschied von reiner Gewinnorientierung (siehe vorangegangenen Punkt) Pflege darf nicht mit dem schneller-weiter-höher-Blick auf Gewinnmaximierung geplant und durchgeführt werden.
• Ein eigenes IT-System das zusätzlich zu den üblichen betriebswirtschaftlichen Funktionen eine spezielle Kommunikations-Plattform bietet, die von den Mitarbeiter*innen Hollandweit intensiv genutzt wird.
• Die Preise werden als Stundensätze einmal jährlich mit den Krankenkassen und den anderen zahlenden Stellen ausgehandelt.
Die Entscheidungsgrundlage bei allen Überlegungen ist zunächst:
Alles soll so einfach sein wie möglich.
UND
Die Patienten und die Mitarbeiter*innen sollen gleichermaßen zufrieden sein.
Das geht.
Für mich ist klar, mit diesen Menschen möchte ich weiter gehen. Der Weg ist das Ziel. Ich freu mich drauf…
Nachtrag: für alle deren Englisch nicht so gut ist, hier ein Text in Deutscher Sprache aus der Schweizerischen Ärztezeitung (2015) …